Digitales Programmheft
REDEN!
Eine Theaterserie erlesener Rhetorik
16. September – 14. Oktober 2022
Inhalt:
- Über REDEN!
- 16.9. REDEN! über Krieg: Wolodymyr Selenskyj, Joschka Fischer + Eric Frey
- 23.9. REDEN! über Verantwortung: Jesus von Nazareth, Al Gore + Renata Schmidtkunz
- 30.9. REDEN! über Korruption: Cicero, Anthea Lawson + Walter Geyer und Gerhard Kreutner
- 7.10. REDEN! über Europa: Winston Churchill, Emmanuel Macron + Erwin Pröll
- 14.10. REDEN! über Frieden: Bertha von Suttner, Beatrice Fihn + Helmut Brandstätter
Reden, die Geschichte machen oder die Öffentlichkeit bewegen, sind fast immer großes Theater. Ihre Argumentation ist dramatisch und deshalb potenziell überzeugend. Um diese performative Wirkung zu erforschen, die manchmal den Ausschlag gibt, ist niemand besser geeignet als Schauspieler:innen. Durch Einfühlung machen sie deutlich, was die Redner:innen aus ihrem Material machen, wie sie es organisieren und sich anverwandeln. Dazu kommt, dass die Berichterstattung auch die bedeutendsten und folgenreichsten Reden nur in einigen Kernsätzen bringt. Das Publikum, das nicht eigens mühevoll nachforscht, erfährt nie den Wortlaut oder auch nur die logische Stringenz dieser Reden. So gesehen schließt das Format Reden! eine bizarre Informationslücke und untersucht einen vernachlässigten theatralischen Aspekt der Öffentlichkeit gleichsam von innen.
Zudem analysieren berufene Gäste im Zwiegespräch mit Anna Maria Krassnigg die Inhalte der Reden und die Kontroversen, die sie naturgemäß auslösen. Abschließend wird das Publikum zum direkten Austausch mit den Theatermacher:innen und Expert:innen eingeladen. Politisches Theater und Aufforderung zum Weiterdenken.
Schauspiel:
Nina C. Gabriel
Jens Ole Schmieder
Martin Schwanda
Isabella Wolf
Regie & Moderation: Anna Maria Krassnigg
Bühne: Felix Huber, Christoph Wölflingseder
Kostüm: Antoaneta Stereva
Licht: Lukas Kaltenbäck
Maske: Henriette Zwölfer
Dramaturgie: Karl Baratta, Marie-Therese Handle-Pfeiffer
Ausstattungs- und Produktionsassistenz: Julia Kampichler
Produktion: Christian Mair
Medienarbeit: Simon Hajós
Kommunikation: Michaela Preiner
Szenenfotos: Julia Kampichler
Eine Produktion von wortwiege
gefördert durch das Land Niederösterreich
und die Stadt Wiener Neustadt
REDEN! über Krieg
Fr 16. September 2022, 19:30 Uhr
Am 10. Dezember 2012 wurde der Friedensnobelpreis an die Europäische Union verliehen, weil sie über „sechs Jahrzehnte lang zur Förderung von Frieden und Versöhnung, Demokratie und Menschenrechten in Europa beigetragen“ hat. Knapp außerhalb ihrer Grenzen gab und gibt es aber kriegerische Konflikte, die auch im Inneren der EU für Unruhe sorgen.
Wolodymyr Selenskyj
„Ansprache bei der Sitzung des Europäischen Rates“
25. März 2022
Schauspiel: Martin Schwanda
Übersetzung: Claudia Dathe, Olga Radetzkaja und Volker Weichsel
Mit freundlicher Genehmigung des Verlags Droemer.
«In Russland genieren sie sich sogar für das Wort ,Krieg’. Sie nennen es eine ,Spezialoperation’.»
Am 24. Februar 2022 geschah, womit fast niemand in Europa gerechnet hatte: Russische Truppen marschierten in der Ukraine ein. Wolodymyr Selesnkyj, Präsident der Ukraine seit 2019, hielt seither zahlreiche Ansprachen an sein Volk, vor anderen Staatschefs, am NATO-Gipfel und auch bei der Sitzung des Europäischen Rates am 25. März 2022. Der versierte Schauspieler bittet um Hilfe für sein Land, nimmt die Mächtigen in die Verantwortung und fordert Solidarität, die sich nicht nur in Worten, sondern auch in Taten äußert. Er spricht von Kriegsverbrechen, nötigen nächsten Schritten und europäischem Zusammenhalt.
Joschka Fischer
„Rede zum Nato-Einsatz im Kosovo“
12. Mai 1999, Bielefeld
Schauspiel: Jens Ole Schmieder
«Wenn wir diese Politik akzeptieren, werden wir dieses Europa nicht wiedererkennen, liebe Freundinnen und Freunde. Das wird nicht das Europa sein, für das wir gekämpft haben.»
Joschka Fischer, gerade erst ins Amt des Bundesministers des Auswärtigen und Stellvertreters des deutschen Bundeskanzlers einer rot-grünen Regierung bestellt, hielt diese Rede beim Außerordentlichen Parteitag der Grünen zur Debatte des NATO-Einsatzes im Kosovo. Fischer, der damals auch Präsident des Rates der Europäischen Union war, sprach sich darin für die Beteiligung deutscher Truppen am NATO-Einsatz gegen Milošević und die ethnischen Säuberungen im Kosovo aus – und damit für den ersten deutschen Kriegseinsatz seit dem Zweiten Weltkrieg. Für seine Position musste er heftige Kritik im eigenen Lager einstecken und er konnte nur unter Personenschutz am Parteitag sprechen. Noch bevor er zu sprechen anfing, trafen Fischer Farbbomben am Ohr, sodass sein Trommelfell platzte. Das hinderte ihn nicht daran, seine Ansichten zu vertreten.
Eric Frey
im Gespräch mit Anna Maria Krassnigg
Geboren 1963 in Wien, ist Eric Frey Publizist und Politologe. Er studierte Internationale Beziehungen an der Princeton University (USA) und Politikwissenschaften an der Universität Wien. Seit 1991 ist er Redakteur bei der Wiener Tageszeitung Der Standard, wo er das Außenpolitik- und Wirtschaftsressort leitete und seit 2018 als Leitender Redakteur und Textchef fungiert. Regelmäßig kommentiert er wirtschaftspolitische und außenpolitische Themen. Als Österreich-Korrespondent war er für die Londoner Wirtschaftszeitungen Financial Times und The Economist tätig. Frey war Gastdozent an der Universität New Orleans und ist Lehrender an der Webster Vienna Private University. 2016 wurde Frey mit dem Horst-Knapp-Preis ausgezeichnet.

REDEN! über Verantwortung
Fr 23. September 2022, 19:30 Uhr
In einer Zeit von Pandemie, Krieg in Europa, Inflation und fraglicher Energieversorgung werden moralische Handlungsleitfäden wieder verstärkt gesucht. Umwelt und Klima befinden sich in einer Krise, das Gesundheitssystem ebenso und die Bedrohung unserer Versorgung mit Heizstoffen und Strom liegt schwer auf den Schultern der politischen Akteure der Welt. Wenn ein Gutmensch das Gegenteil von einem guten Menschen ist, Querdenken mit Verschwörungstheorien gleichgesetzt wird und es keine Kategorien zwischen Richtig und Falsch mehr gibt, fragt man sich zu Recht, wie man leben soll. Die beiden Reden fordern in unterschiedlicher Weise Verantwortung auf Erden ein.
Jesus von Nazareth
„Bergpredigt“
Schauspiel: Isabella Wolf
«Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin.»
Die Bergpredigt ist im Matthäusevangelium 5,1-7,29 überliefert. Jesus von Nazareth steigt auf einen Berg und verkündet den um ihn versammelten Jüngern seine ethische Lehre. Sie enthält starke Forderungen, die die Gesetze des Alten Testaments in ihrer Strenge oft übertreffen: Liebe deinen Feind. Verzichte auf Gewalt. Wenn deine rechte Hand dich zu Unrecht verführt, hacke sie ab. Diese Forderungen scheinen unerfüllbar und gleichzeitig faszinierend, überfordernd und zugleich anziehend. Jedenfalls sind sie von einer unbeugsamen Radikalität.
Al Gore
„Nobelpreisrede“
10 Dezember 2007, Oslo
Schauspiel: Martin Schwanda
«Wir müssen unsere Zivilisation schnell mobilisieren, und zwar mit einer Dringlichkeit und Entschlossenheit, wie man sie bisher nur kannte, wenn sich Nationen für einen Krieg mobilisierten.»
Vor 15 Jahren wurde Al Gore für sein Engagement für den Umweltschutz der Friedensnobelpreis verliehen. Die Gelegenheit, vor dem Komitee eine vielbeachtete Rede zu halten, nutzte er, um seine Botschaft noch weiter zu transportieren: Ein direkter Aufruf zum Handeln – und zwar nicht bloß zum Mülltrennen und Radfahren, sondern an Entscheidungsträger:innen höchster Ebene, ökonomische Strukturen zu schaffen, die Umwelt- und Klimaschutz nicht nur fördern, sondern fordern. Diese Rede ist heute, 15 Jahre später, brandaktuell, wie an dem Tag, an dem Al Gore sie geschrieben hat.
Renata Schmidtkunz
im Gespräch mit Anna Maria Krassnigg
In Wien und Montpellier studierte die Theologin und Journalistin Evangelische Theologie und Publizistik. Seit 1990 ist sie als Redakteurin, Filmemacherin und Moderatorin beim ORF tätig, für den sie erfolgreiche Sendeformate gestaltet und moderiert. Sie erfand zahlreiche Sendungen (mit), war unter anderem Gastgeberin des legendären Club 2 und verantwortet heute die Ö1-Sendung Im Gespräch. 2012 erhielt sie den Preis der Stadt Wien für Publizistik und 2014 den Axel-Corti-Preis. 2020 wurde sie mit dem Radiopreis für Erwachsenenbildung ausgezeichnet.

REDEN! über Korruption
Fr 30. September 2022, 19:30 Uhr
Korruption ist, wenn man Shakespeares Stück Coriolanus glauben darf, schon seit der Geburtsstunde der Demokratie eine immanente Gefahr, der sie bis heute ausgesetzt ist. Während die Tribunen das Volk aufhetzen, der Spitzel ein neu geschaffenes Amt bekleidet und Rom verrät, wird eine neue Staatsform schon unterwandert, bevor sie noch völlig ausgestaltet ist. Beginnend im vorchristlichen Rom widmet sich diese Ausgabe den Formen, Verstrickungen und Größenordnungen, die Korruption annehmen kann. Denn in einer globalisierten Welt nehmen Abhängigkeiten und Verwicklungen oft interkontinentale Maße an. Mit Anthea Lawson kommt eine jener Personen zu Wort, die sich der Herausforderung, diese Hydra zu bekämpfen, stellen.
Cicero
„Erste Rede gegen Catilina“
7. November 63 v. Chr., Rom
Schauspiel: Martin Schwanda
«Meinst du nicht, dass dann, wenn Italien durch Krieg verwüstet wird, wenn Städte heimgesucht werden, wenn Häuser in Brand stehen, die Flamme des Unwillens dich verzehren wird?»
63 v. Chr. kandidierte Catilina bei der Wahl zum Konsul, dem einflussreichsten Amt Roms. Nachdem er diese Wahl u.a. aufgrund des Widerstands seines Gegenspielers Marcus Tullius Cicero verloren hatte, war er hoch verschuldet. Um die Macht in Rom an sich zu reißen, plante er einen Putsch und versammelte die Ärmsten der Bevölkerung hinter sich. Zwei Senatoren konnte Catilina überzeugen, Cicero zu ermorden, der allerdings von dem Attentat erfahren hatte und ich schützen konnte. Tags darauf hielt Cicero seine erste von vier Reden gegen Catilina aus dem Stegreif. Catilina verließ die Stadt und starb wenig später in einer aussichtslosen Schlacht. Cicero schrieb seine Ansprachen nieder, veröffentlichte die rhetorischen Meisterwerke und prägte so die Geschichtsschreibung über den Putschversuch nachhaltig. Noch heute ist der Name Catilina mit Verrat, Korruption und Umsturz konnotiert.
Anthea Lawson
„Wie London Korruption befeuert“
27. Juni 2014, TEDxHousesofParliament, London
Schauspiel: Nina C. Gabriel
«Irgendetwas läuft wirklich schief, wenn der Reichtum eines Landes an natürlichen Ressourcen nicht nur den einfachen Menschen nicht zugutekommt, sondern auch die Politik destabilisiert und Kriege anheizt.»
Anthea Lawson ist eine britische Aktivistin, Journalistin und Autorin, die sich für die Schließung von Steueroasen, Prävention von Korruption und Umweltzerstörung durch Banken und strenge Kontrollen im Waffenhandel einsetzt. In ihrem aktuellen Buch The Entangled Activist (2021) schreibt sie über das Paradoxon, dass gerade Aktivist:innen meist tief verstrickt sind in jene Probleme, die sie zu lösen versuchen – etwa wenn sie gegen die Bergung fossiler Brennstoffe arbeiten, während sie im täglichen Leben doch davon abhängig sind. Bei Global Witness startete sie eine preisgekrönte Kampagne, die in vielen Ländern zur Veränderung von Gesetzen zur anonymen Inhaberschaft von Firmen führte. In ihrer Rede beschreibt sie, warum dieses Konstrukt der unbekannten Inhaber:in oft mit Korruption verbunden ist.
Walter Geyer und Gerhard Kreutner
im Gespräch mit Anna Maria Krassnigg
Walter Geyer absolvierte nach seinem Studium der Rechtswissenschaften die Gerichtspraxis, wurde Richter und 1977 Staatsanwalt in Wien. 1986 bis 1988 war er parteiloser Mandatar der Grünen im Nationalrat. Bekannt wurde Geyer u.a. wegen einer neun Stunden dauernden Rede gegen das Waldsterben, was im Parlament zur Einführung einer Redezeitbeschränkung führte. Ab 1988 war Geyer wieder als Staatsanwalt tätig und kämpfte gegen Wirtschaftskriminalität, organisierte Kriminalität und Jugendkriminalität. Bis 2009 leitete er die Staatsanwaltschaft Korneuburg, danach die neu gegründete Korruptionsstaatsanwaltschaft in Wien, wo er der erste Antikorruptionsstaatsanwalt Österreichs wurde.
Martin Kreutner studierte Jura in Innsbruck und Sozialwissenschaften in Leicester (UK). Er war acht Jahre lang Dekan und Geschäftsführer der International Anti-Corruption Acadamy (IACA), einer internationalen Organisation mit über 75 Mitgliedsstaaten. Von 2001 bis 2010 war er Leiter der österreichischen Anti-Korruptionsbehörde sowie neun Jahre lang Präsident des europäischen AC-Dienstellennetzwerkes European Partners against Corruption (EPAC/EACN). Er ist Experte und Berater in Anti-Korruptions- und Compliancefragen u.a. für die UN, den Europarat, die Europäische Union, OSCE, Transparency International und die Weltbank. Zusammen mit Irmgard Griss, Heide Schmidt, Walter Geyer u.a. ist er Proponent des Rechtsstaat & Antikorruptionvolksbegehrens, das im Mai 2022 von 307.629 Österreicher:innen unterzeichnet wurde.

REDEN! über Europa
Fr 7. Oktober 2022, 19:30 Uhr
Nach Ende des zweiten Weltkriegs entwickelte sich die Vision von einem geeinten Europa rasch zu einer Mission, die durch die Gründung von Wirtschafts-, Verteidigungs- und schließlich Währungsbündnissen Realität wurde. Die 1958 von sechs Staaten gegründete Europäische Union wuchs über die Jahre auf eine Mitgliederanzahl von 27 Europäischen Ländern und erhielt 2012 den Friedensnobelpreis für die Förderung von Frieden und Versöhnung, Demokratie und Menschenrechten in Europa seit mehr als sechs Jahrzehnten. Das vergleichsweise junge Bündnis muss sich seit seiner Gründung ständig reformieren und die Europäische Einigung verteidigen. 2020 verließ Großbritannien als erster Staat die Europäische Union.
Winston Churchill
„Europa-Rede“
19. September 1946, Universität Zürich
Schauspiel: Martin Schwanda
«Wir müssen eine Art Vereinigte Staaten von Europa errichten. Nur auf diese Weise werden Hunderte von Millionen sich abmühender Menschen in die Lage versetzt, jene einfachen Freuden und Hoffnungen wiederzuerhalten, die das Leben lebenswert machen.»
Eine der wohl einflussreichsten Reden der Geschichte der Idee einer Europäischen Einigung hielt Winston Churchill am 19. September 1946 an der Zürcher Universität – ein Jahr nachdem er das Amt des Britischen Premiers ablegen musste; ein Jahr nach Kriegsende. Churchills Absicht war, Europa zu stabilisieren, sodass das Vereinigte Königreich zum unabhängigen Imperium zwischen den Kontinenten werden konnte. Obwohl ihm Letzteres nicht gelang und sein Staat 1973 schließlich doch der EU beitrat, erreichte er mit dieser Rede eine Verschiebung des Blicks auf das Konzept eines geeinten Europas. Bis dahin galt die Europäische Einigung als Idee einer kommunistischen Linken, nun wurde sie vom Kommunismus losgerissen und zur Mission, die politische Lager übergreift. Churchills Aufruf zur Gründung der Vereinigten Staaten Europas fruchtete in der Gründung des Europarats 1949.
Emmanuel Macron
„Sorbonne-Rede“
26. September 2017, Paris
Schauspiel: Jens Ole Schmieder
«Unsere Zersplitterung ist nur oberflächlich. Sie ist eigentlich unsere größte Chance. Und anstatt die Fülle unserer Sprachen zu bedauern, sollten wir daraus einen Vorteil machen!»
Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, plädierte in seiner Rede an der Universität Sorbonne in Paris für eine radikale Reform der Europäischen Union, forderte beherztes, rasches Handeln und warnte vor einfachen Lösungen, die Nationalismus, Protektionismus und „Souveränitätswahrung durch Abschottung“ so verlockend anbieten. Er sprach über globale Herausforderungen, etwa Migration, Digitalisierung, Klimawandel und Terrorismus, die als Einzelstaaten nicht zu lösen seien. Gemeinsame demokratische Grundsätze sollten stärker verbinden, die Vielfalt an Sprachen und Kulturen als Potential betrachtet und die Handlungsfähigkeit Europas neu gestaltet werden. Die Rede fand besonders in Bezug auf Deutschland große Beachtung, wo kurz zuvor Bundestagswahlen abgehalten worden waren. Macrons Appell an Merkel: Nicht warten, reformieren!
Erwin Pröll
im Gespräch mit Anna Maria Krassnigg
Erwin Pröll, geboren 1946 in NÖ, studierte Landwirtschaft an der Universität für Bodenkultur in Wien. Er war Referent des Österreichischen Bauernbundes, ab 1980 Landesrat sowie ab 1992 Landeshauptmann von Niederösterreich bis zu seinem Rücktritt 2017, nach 37 Jahren in der Landespolitik. Anlässlich des 30. Jubiläums des Falls des Eisernen Vorhangs brachte er 2019 das Buch Kultur.Region.Europa heraus, in dem er Beiträge namhafter Persönlichkeiten aus Politik, Literatur und Gesellschaft zum Diskurs über Europa und seine Regionen versammelt und seiner Begeisterung für Europapolitik in dieser Form nachgeht.

REDEN! über Frieden
Fr 14. Oktober 2022, 19:30 Uhr
Seit 1901 wird jährlich am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters, der Friedensnobelpreis in Oslo vergeben. Dem 1895 testamentarisch festgehaltenen Willen Alfred Nobels entsprechend, wurde sein Vermögen veranlagt, die Erträge jährlich in fünf Teile aufgeteilt und an jene Menschen verteilt, die der Menschheit im vergangenen Jahr am nützlichsten waren – „ein Teil an denjenigen, der am meisten oder am besten auf die Verbrüderung der Völker und die Abschaffung oder Verminderung stehender Heere sowie das Abhalten oder die Förderung von Friedenskongressen hingewirkt hat.“ Die Friedensbewegung einer Bertha von Suttner war nicht weniger ambitioniert als das Engagement der ICAN (Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen).
Bertha von Suttner
„Die Entwicklung der Friedensbewegung“
18. April 1906, Christiania
Schauspiel: Nina C. Gabriel
«Die Überzeugung von der Möglichkeit, von der Notwendigkeit und von der Segensfülle eines gesicherten juridischen Friedenszustandes zwischen den Völkern ist schon zu sehr in alle Schichten, auch schon in die Machtsphären gedrungen, die Aufgabe ist schon zu klar hingestellt, und zu viele arbeiten schon daran, als dass sie nicht früher oder später erfüllt werden sollte.»
1905 erhielt die Schriftstellerin, Journalistin und Gründerin der Friedensbewegung in Europa Bertha von Suttner als erste Frau und erste Österreicherin den Friedensnobelpreis. In ihrer Rede berief sie sich auf den unbeirrbaren Glauben ihres Freundes und Unterstützers Alfred Nobel an die Arbeit der Friedensbewegung. Auch vom amerikanischen Präsidenten Roosevelt und seinen vorbildhaft beherzten Maßnahmen in dieser Sache zeigte sie sich überzeugt: Eine Friedensunion aller Staaten. Internationale Schiedsgerichte, die Konflikte „ohne Schwert“ lösen sollten. Ihr 1889 erschienener Roman Die Waffen nieder! zählt zu den wichtigsten Werken der Kriegsliteratur.
Beatrice Fihn
„Friedens-Nobelpreisrede“
10. Dezember 2017, Oslo
Schauspiel: Isabella Wolf
«Viele Kritiker unserer Bewegung behaupten, dass wir irrational sind, Idealisten, die nicht auf dem Boden der Realität stehen, und dass die Atomwaffenstaaten niemals ihre Waffen aufgeben werden.»
Weltweit sind 9 Länder in Besitz von insgesamt 13.080 einsatzbereiten Atomsprengköpfen, darunter die USA, Russland, das Vereinigte Königreich und Frankreich. Die stetige Abrüstung der letzten Jahre ist darauf zurückzuführen, dass diese Staaten veraltete Sprengköpfe ausrangierten. Diese 9 Länder modernisieren nun ihre Arsenale, sie schaffen ihre nuklearen Waffen also nicht ab, sondern tauschen sie gegen bessere. ICAN – The International Campaign to Abolish Nuclear Weapons – setzt sich dafür ein, diese Art Waffen per Gesetz zu verbieten. In vielen Teilen der Erde ist das bereits gelungen. Dennoch befinden sich in fünf europäischen Staaten aufgrund des NATO-Abkommens US-amerikanische Atomwaffen, auf deren Schutz weitere 23 Staaten vertrauen. Beatrice Fihn plädiert für ein Verbot von nuklearen Waffen und Tests sowie rasche, globale Abrüstung.
Helmut Brandstätter
im Gespräch mit Anna Maria Krassnigg
Helmut Brandstätter ist Autor und Nationalratsabgeordneter. An der Universität Wien und der John Hopkins Universtiy in Bologna studierte er Rechtswissenschaften und Internationale Politik. Er war als Auslandskorrespondent des ORF in Bonn und Brüssel tätig. Von 1997 bis 2003 Geschäftsführer bei n-tv in Berlin, dann Mitgründer von PulsTV. Von 2010 bis 2018 war er Chefredakteur der Tageszeitung Kurier, von 2013 bis 2019 auch deren Herausgeber. Brandstätter ist Autor mehrerer Bücher, zuletzt erschienen: Letzter Weckruf für Europa (2020) und Heilung für eine verstörte Republik (2022)
